Das ehem. Nonnenklösterchen in Kettig von 1921 – 1984 – Gemeinde Kettig

Das ehem. Nonnenklösterchen in Kettig von 1921 – 1984

Ein Bericht von Ortschronist Gerhard Elingshäuser
In weiser Voraussicht des Seelsorgers Eberhard Merkelbach (Pfarrer in Kettig von 1909-1926) ist es zu verdanken, dass in dem 1.135 Seelenort Kettig eine Kinderbewahrschule mit Jugendheim schon im Jahre 1912 eingerichtet werden konnte.
Merkelbach wurde am 04. Februar 1858 in Neuwied geboren. Mit 51 Jahren übernahm er am 15. Oktober 1909 die vakant gewordene Pfarrstelle in Kettig. Neben seiner seelsorgerischen Aufgaben war sein Bestreben und Ansinnen, im Ortskern eine Kinderbewahrschule einzurichten.
In der Schnürgasse bot sich alsbald der Verkauf eines abbruchreifen landwirtschaftlichen Gehöfts für einen Betrag von 2.400 Mark an.
Der Kirchenvorstand unter dem Vorsitz von Pfarrer Merkelbach und der Gemeinderat mit Bürgermeister Johann Josef Hammer nutzten die Chance und stimmten dem Kauf des Areals am 02. Juli 1911 mehrheitlich zu. Nach dem Abriss der maroden Gebäude erstellte Maurermeister Wilhelm Hammer den Plan zum Bau einer zweckmäßigen Einrichtung für Kleinkinder und der Jugend. Die Vorstellungen des Seelsorgers Merkelbach wurden in dem Plan integriert, dass in der oberen Etage vorsorglich schon Wohnräume für eventuelle Ordensschwestern eingeplant werden.

Eintragungen von Pfarrer Merkelbach (1909 – 1926) im Lagerbuch der Pfarrgemeinde:
„Im Jahre 1912 wurde der Bau der Bewahrschule ausgeführt. Herr Hammer, Maurermeister, machte den Plan nach einem Gutachten und führte sie aus; am 13. Oktober konnte die Einweihung stattfinden. Es ist ein Saal für den Jugendverein in ihm auch der Kirchenchor seine Übungen abhält, der Gemeinderat und der Vorstand der Darlehnskasse ihre Sitzungen abhalten. Ferner eine Wohnung von insgesamt vier Räumen. Die Gemeinde zahlt jährlich einen Zuschuss von 400 Mark, damit die Schulkinder monatlich einmal baden können und der Gemeinderat den Saal benutzen kann.“

(Schwesternhaus im Jahre 1914 in der Schnürgasse Foto: privat)

Nachdem der Kinderhort fertiggestellt war, war Merkelbachs größtes Anliegen, Ordensschwestern zur Leitung der Bewahranstalt zu bekommen. Doch seine Bitbriefe an das Bischöfliche Ordinariat in Trier verliefen negativ. Da keine Zusage aus Trier zu erwarten war, wurde Fräulein Regina Dietz als Kindergärtnerin angestellt. Fräulein Dietz erhielt ein Gehalt von 600 Mark für ein Jahr.
Nachdem am 11. November 1918 der Erste Weltkrieg zu Ende war, kamen amerikanische Soldaten, um das Rheinland zu besetzen. Die Volksschule, das Pfarrhaus und die Bewahrschule wurden für etwa dreieinhalb Monate konfisziert und dienten als Wohnraum für amerikanische Offiziere.
Am 31. August 1920 kam für Pfarrer Merkelbach ein überraschendes Schreiben aus der Domstadt Trier. Das Bischöfliche Generalvikariat welches in den zurückliegenden acht Jahren nur Absagen zu seinem Anliegen erteilt hatte, schickte folgende positive Depesche, worin wörtlich mitgeteilt wurde:
„Seiner Bischöflichen Gnaden genehmigen hiermit, das in der Pfarrei Kettig eine Niederlassung der Schwestern aus dem Mutterhaus der Töchter des Göttlichen Heilandes in Wien eingerichtet wird, welche die ambulante Krankenpflege, die Leitung einer Bewahrschule und die weibliche Jugendpflege zum Bemerk hat.“ gez. Thielmann, Bischöfliches Generalvikariat Trier.
Endlich, am 02. Mai 1921 war es so weit, dass drei Schwestern aus dem fernen Wien in die vorgesehenen Räumlichkeiten in Kettig einziehen konnten.

(Archiv der Kongregation Schwestern vom „Göttlichen Erlöser“in Wien)

Seelsorger Merkelbach vermerkte im Lagerbuch folgende Zeilen:
„Heute, am 02. Mai habe ich die Schwestern Martha, Richildis und Helmina am Bahnhof Neuwied linksrheinisch (heute Bahnhof Weißenthurm), mit einem Kastenwagen und störrischen Pferd abgeholt. Unter Glockengeläut, Fahnenschmuck, die Straßen gesäumt von erwartungsvollen Pfarrkindern, die zur Begrüßung kamen. Am neuen Schwesternheim in der Schnürgasse hatten sich ca.100 Mädchen eingefunden, die die Schwestern mit Blumenschmuck und Girlanden herzlich begrüßten. Die drei Nonnen wurden in ihr neues Zuhause geleitet, wo Bürgermeister Johann Josef Hammer sie willkommen hieß.“

Endlich war der langersehnte Wunsch von Pfarrer Merkelbach ein Nonnenklösterchen in Kettig einzurichten, in Erfüllung gegangen.
Schwester Martha wurde das Amt als Oberin zugeteilt. Schwester Richildis als Kindergärtnerin und Schwester Helmina war für die Krankenpflege verantwortlich.

Insgesamt wohnten 26 Schwestern von 1921 bis 1984 in Kettig in der Bewahrschule.
Sr. Adelfine kam im Jahre 1927. Sie und Sr. Adolfe (seit 1926 in Kettig) waren fachkundige Nähschwestern, die mit großen Sachverstand eine in Kettig nie da gewesene Nähschule leiteten. Nicht nur hiesige Mädchen und Mütter aus dem Ort, sogar aus den Nachbarorten kamen Interessierte um das Schneidern und Nähen zu erlernen.
Die Beliebtheit der Schwesterngemeinschaft wurde nicht nur durch die Nähschule in der Region hochgelobt, sondern auch die Kompetenz in der Krankenpflege, sodass aus dem Mutterhaus in Wien eine vierte Schwester notwendig wurde.
Das Schwesternheim, Pfarrei und Gemeinde wuchsen durch die kriegsbedingte Zeit immer enger zusammen. Die Zahl der zu Hause Betreuten stieg von 30 auf 203, die Krankenbesuche und zeitweise Betreuung von 1.156 auf 2.165 und die Tagpflege von 65 auf 267 weiterhin steigend.
Der Kindergarten wies bei seiner Wiedereröffnung 1940 die Zahl von 70 Kindern auf, dies war ein erfreulicher Zuwachs von 18 Kindern im Jahre 1937.

(Wiederherstellung und Aufstockung im Jahre 1948 Foto Privat)

Bombardierung

Am 29. Dezember 1944 um kurz nach 14 Uhr erlebte der 1.483 Einwohner zählende Ort das Grauen des Krieges. Innerhalb von einem ca. 10 minütigen Bombardement hatte Kettig 20 Tode und eine große Anzahl an Leicht- und Schwerverletzten zu beklagen.

Im Ortskern wurde die Kirche, die Schule und unzählige Wohnhäuser total oder zum Teil schwer beschädigt. Auch das Schwesternhaus blieb nicht verschont.

Renovierungen und Umbau

Durch die Bombardierung im Dezember 1944 konnten die Schäden am Nonnenklösterchen erst 1948 behoben werden. Zusätzlich wurde das Gebäude um eine weitere Etage auf- gestockt.

Zur Ausbildung junger Mädchen in Handarbeit und Nähen, erteilte am 24. Oktober 1947 der Regierungspräsident die Erlaubnis zum Betrieb einer privaten Nähschule für Hauszwecke.

Einrichtung einer Hauskapelle und Heimstätte für betagte und gebrechliche Frauen

Auf Bitten von Pfarrer Karl Seul (1952-1964) erteilte am 17. Oktober 1952 das Bischöfliche Generalvikariat Trier die Genehmigung, das in einem Raum eine Hauskapelle für die Schwestern einzurichten ist.

„Zur Zeit“, so schrieb Pfarrer Seul im Jahre 1957: „Es wohnen im Klösterchen sechs Schwestern und fünf alte gebrechliche Frauen, welche im Dachgeschoss des Hauses, das als Heimstätte für betagte Frauen eingerichtet ist.“

Laut Anordnung der Aufsichtsbehörde wurde von der kath. Kirchengemeinde eine Satzung gefertigt, wonach das Schwesternhaus ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt, was am 17. Dezember 1954 vom Finanzamt bestätigt wurde.

Auflagen der staatlichen Schulbehörde

Die staatliche Schulbehörde unterbreitet immer größere Auflagen zur Ausstattung der Kindergärten. Bei einer von ihr vorgenommene Besichtigung wird der Kindergarten als nicht mehr zeitgemäß beanstandet. Der Kirchenvorstand beschloss am 06. Oktober 1959 eine Vergrößerung des vorhandenen Gebäudes mit einer beheizbaren und geschlossenen Veranda, von ca. 40m² vorzunehmen. Die Baukosten betrugen DM 15.819.

(Erweiterung des Schwesternhauses 1961 (überdachte beheizbare Veranda)
(Schwester Primosa im Jahre 1951 Foto Pfarrarchiv Kettig)

Neubau einer Kindertagesstätte

Weil die Nachfrage um Aufnahme in den Kindergarten sprunghaft anstieg, veranlasste der Kirchenvorstand unter Pfarrer Karl Seul, den Neubau eines Kinderhorts. Ein großes Areal von insgesamt 16,31 Ar neben dem Kinderspielplatz „in der Pfütze“ wurde angekauft. Die Einweihung erfolgte am 28. Juni 1970, wobei die sehr geschätzte und beliebte Schwester Nerina die Leitung der neuen Kindertagesstätte übernahm.

Abschied von den Schwestern vom „Göttlichen Heiland“

Zur Verabschiedung der zwei verbliebenen Schwestern kam eigens am 29. Juni 1984 die Generaloberin der Kongregation, Schwester Edeltraut aus Wien nach Kettig. Sie wollte gerne bei der Suspension von Schwester Adelfine und Barnaba dabei sein.
Die Abschiedsfeier am 30. Juni zeigte, wie herzlich die Dorfgemeinschaft zusammen mit den Schwestern war und wie schmerzlich es die Bevölkerung von Kettig empfand, dass es nun im Ort keine Ordensschwestern mehr geben wird. Pfarrer Lothar Brucker sowie Bürgermeister Hans Höfer sprachen Worte des Dankes für das langjährige und segensreiche Wirken aller Schwestern in der Pfarrei und Gemeinde Kettig.
Schweren Herzens verabschiedeten sich die Schwestern von der liebgewordenen Wirkungsstätte und fuhren mit der Generaloberin am 01. Juni 1984 zurück nach Wien.

(Schwestern in Kettig im Jahre1975 Foto Pfarrarchiv Kettig)

oben links: Sr. Adelfine leitete die Nähschule von 1927 bis 1931 und war Oberin 1966 bis 1984.
rechts oben: Sr. Nerina leitete von 1959 bis 1966 als Oberin das Schwesternhaus und war von 1959 bis 1975 Kindergärtnerin. unten von links nach rechts: Sr. Lucaria war von 1957 bis 1975 Krankenschwester,
Sr. Ursula war von 1947 bis 1951 und von 1961 bis 1983, Krankenschwester
Sr. Barnaba war von 1973 bis1984 Kindergärtnerin.

Quellen:
– Kettiger Pfarrarchiv Visitationsberichte der Pfarrei Kettig
– Bildernachweis Pfarrarchiv Kettig
– Bildernachweis Fotos privat
– Provinz-Archiv der Kongregation der Schwestern vom „Göttlichen Erlöser“ in Wien